Biutiful
DVD - Release: 21.9.2011
Rezension von Geri Krebs
Ob man einem charismatischen Mann während fast zweieinhalb Stunden beim Sterben zusehen will, ist eine Sache. Die andere ist die, dass Alejandro Gonzalez Iñárritu dafür Bilder findet, die einen nicht loslassen.
Uxbal (Javier Bardem) ist ein todgeweihter Mann, und er ist ein Mensch voller Widersprüche. Der Mittvierziger hat Prostatakrebs, lebt in einer elenden Wohnung in einem Vorort Barcelonas, hat die kaputteste Familie, die man sich vorstellen kann, und er ist seinen zwei Kindern ein zärtlicher Familienvater. Er schützt chinesische und afrikanische Einwanderer vor der Staatsmacht und er nützt sie gleichzeitig aus, und er ist ein Scharlatan, der mit dem Schmerz Hinterbliebener von Verstorbenen sein Geschäft macht, indem er vorgibt, mit den Toten Kontakt herstellen zu können. Und er hat eine Ex-Frau, Marambra (Maricel Álvarez), Mutter seiner Kinder, die noch kaputter ist als er: psychisch schwer angeschlagen, drogensüchtig und als Prostituierte tätig, ist sie eine Figur, der kaum etwas erspart bleibt.
Doch das ist in den Filmen von Alejandro González Iñárritu ja nicht Neues, er ist ein Cineast der Extreme. Seine Figuren wirft er in ein miserables Leben hinein, lässt sie schlimmst mögliche Schicksalsschläge erleiden und zeigt dann, wie sie versuchen, damit fertig zu werden. So auch in „Biutiful“.
Emotionale Erdbeben
Doch von der absolut spektakulären Erzählkunst Alejandro González Iñárritus, die zusammen mit dem Drehbuchautor Guillermo Arriaga mittels einer Zerstückelung des filmischen Zeit-Raumes in kleinste Puzzleteilchen bei „Babel“, „21 Grams“ und - vor allem – beim Erstling „Amores perros“ in schwindelerregende Höhen abgehoben hatte, ist in „Biutiful“ nichts übrig geblieben. Iñárritu und Arriaga haben sich während der Dreharbeiten von „Babel“ so zerstritten, dass es in absehbarer Zeit wohl keine Zusammenarbeit mehr geben wird. So ist „Biutiful“ der erste Film, dessen Drehbuch Iñarritu allein geschrieben hat (für die Endfassung arbeitete er dann mit zwei jungen, unbekannten Argentiniern, Armando Bo und Nicolás Giacobene zusammen), erzählt linear und ist das Dokument einer Scheidung. Dennoch sorgt auch dieser Film des 1963 geborenen Mexikaners wieder für jene emotionalen Erdbeben, die man von ihm kennt.
Das hat einerseits mit der Kamera von Rodrigo Prieto zu tun, der seit „Amores perros“ bei allen Filmen Iñárritus dabei war, und der auch jetzt wieder Bilder gefunden hat, die schlicht grandios sind. Und dann gibt es den Hauptdarsteller Javier Bardem, der die Geschichte rettet, und der hier eine der grössten Leistungen seiner langen Karriere hinlegt. Aber es gibt auch Maricel Álvarez, eine argentinische Theaterschauspielerin, die hier in einem Spielfilm debütiert und die in der Rolle der Marambra als Mater dolorosa eine wahre schauspielerische Parforcetour absolviert.
Hommage an Barcelona
Geradezu ironisch mutet schliesslich an, dass in Javier Bardems Filmografie der Film vor „Biutiful“ ebenfalls in Barcelona spielte: Woody Allens „Vicky, Cristina, Barcelona“. Jene wunderschön kitschige katalanische Metropole, gesehen durch die Augen eines ehrfürchtigen „American in Spain“, war so etwas wie die totale Antithese zu diesem meist düsteren, dreckigen, marginalen Barcelona der ausgebeuteten Immigranten in den Vierteln von Badalona, Santa Coloma und El Raval. Doch in gewissen Momenten erstrahlt in „Biutiful“ gerade diese Stadt Barcelona in einer Schönheit und Helligkeit, wie man sie so noch nie in einem Film gesehen hat. Nach dem Amerikaner Allen hat nun der Mexikaner Iñárritu auf seine Weise eine Hommage an diese Stadt geschaffen und allein schon das macht den Film sehenswert.
(Geri Krebs)
Kritiken
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www.biutiful-lapelicula.es | Pathé |
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