Habemus Papam
DVD - Release: 14.6.2012
Rezension von Doris Senn
Nanni Moretti und der Papst: „Habemus Papam“ ist ein grossartiger Schauspielerfilm mit Michel Piccoli.
Wer hätte das gedacht: Moretti, bekennender Atheist und Linker, der in die innersten Winkel des Vatikans vordringt? Der einen Film der ominösen Papstwahl in der Konklave widmet und einen Papst in tiefem Gewissenskonflikt porträtiert? Andererseits: Wieso nicht? Schliesslich hat Moretti selbst schon einen von Selbstzweifeln gepeinigten Priester gespielt („La messa è finita“, 1985). Und die Frage nach dem Woher und Wohin, nach Sinn und Sein beschäftigt den römischen Filmemacher seit seinen ersten Filmen in den 70er-Jahren.
Meister des intimen Dramas
Zudem: Nach rund einem Dutzend Filmen, die alle mehrfach prämiert wurden, wissen wir auch, dass der Filmemacher und Selbstdarsteller längst nicht nur der exaltierte Zyniker ist, der in der Person seines Alter Ego Michele Apicella den Reflexionen rund um Politik und Gesellschaft immer wieder lautstark Gehör verschafft. Er ist auch ein Meister des inneren Dramas. Das hat er schon in „La stanza del figlio“ bewiesen, wo er als Vater über den Tod des Sohnes hinwegkommen muss. Oder in „Caro diario“, wo der Regisseur einen Krebsbefund thematisierte, mit dem er sich im wirklichen Leben konfrontiert sah.
"Möge dieser Kelch an mir vorübergehen…"
Nun also ein Kleriker an der existenziellen Wegscheide. Und das kommt so: Kardinäle aus aller Welt treffen in Rom ein, um in einer geheimen Sitzung den neuen Papst zu wählen, dessen Wahl dann vom Balkon der Peterskirche aus mit der Formel "Habemus Papam", wir haben einen (neuen) Papst, verkündet wird. So weit, so gut. Wir sehen also ein illusteres Grüppchen von freundlichen, meist greisen Männern aus aller Welt, die alle insgeheim hoffen und beten, bei der Auswahl auch ja nicht berücksichtigt zu werden. So sind denn mehrere Wahlgänge nötig, bis sich endlich ein Favorit herausschält. Alle sind erleichtert – ausser dem einen, den das "bittere Los" trifft. Der Papst in spe verliert erst die Fassung, dann die Nerven und entflieht schliesslich seinen Bodyguards, um gänzlich unterzutauchen.
Cinecittà wird zum Vatikan
Gespielt wird dieser Papst in Nöten von einem brillanten 85-jährigen Michel Piccoli, der sich in einer Art "Lost in Rome" inkognito durch die Heilige Stadt trollt – auf der Suche nach sich selbst und seiner wahren Berufung. Dies verpackt Moretti in ein einfühlsames Drama mit viel Ironie, in dem auch die amüsanten Ingredienzien nicht fehlen dürfen, die längst zu Markenzeichen von Morettis Filme geworden sind: sein Spott über die Psychotherapie etwa, sein Faible für Schokolade oder seine Leidenschaft für den Sport. Schliesslich verknüpft er auch meisterhaft authentische Aufnahmen – etwa vom Begräbnis von Johannes Paul II. – mit konstruierten Szenerien: Für "Habemus Papam" liess Moretti nicht nur die Sixtinische Kapelle und andere Teile des Vatikans in Cinecittà nachbauen – auch all die klerikalen Kostüme liessen das Budget des einstigen Guerrillafilmers auf nicht weniger als acht Millionen Euro hochschnellen. Daraus entstanden sind 105 genussvolle Filmminuten – gekrönt von einem überraschenden Finale.
(Doris Senn)
Kritiken
Offizielle Website | Verleiher |
www.habemuspapam.it | Frenetic Films |
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