Off Beat
DVD - Release: 1.6.2012
Rezension von Stefan Volk
Das Spielfilmdebüt des Schweizer Regisseurs Jan Gassmann, spielt in der Zürcher Rapperszene mit wuchtigem Sound, wilden Wortgewittern, rauen Großstadtbildern und einem ungewöhnlichen Drama: der Oberrapper des Films ist nämlich schwul.
Gerade mal 28 Jahre ist Jan Gassmann alt und hat schon einen Film gedreht, den die wenigen, die ihn gesehen haben, nicht so schnell vergessen werden. Die Rede ist hier noch nicht von „Off Beat“, sondern von Gassmanns erstem Langfilm „Chrigu“ (2007). Diesen mit kleinsten Mitteln produzierten Dokumentarfilm drehte er gemeinsam mit seinem Jugendfreund Christian „Chrigu“ Ziörjen. Fertig stellen musste er ihn ohne ihn. Chrigu ist an Krebs erkrankt, und so hautnah, dass es unter die Haut geht, begleitet der Film ihn in den Tod. Das Wundersame an diesem zum Heulen traurigen, überwältigenden Film ist, dass er nicht deprimierend wirkt, sondern mit seinen vielen fröhlichen, ausgelassenen Momenten ungeheuer lebensbejahend. Den Schmerz, den er zugleich vermittelt, verstärkt das nur noch. Die „Mundartisten“ aus Langenthal, die ebenfalls zu Ziörjens und Gassmanns Freundeskreis zählen, lieferten den Soundtrack für dieses aussergewöhnliche Projekt.
Rap-Sound von Chocolococolo
Wiederholen lässt sich so etwas natürlich nicht. Dennoch stimmt es neugierig darauf, was für einen Film der in Langnau aufgewachsene und in Zürich lebende Jungfilmer nun als nächstes realisiert. Dass der neue Film einem Vergleich mit „Chrigu“ nicht standhalten können würde, war von vornherein klar. Dass er sich einem solchen Vergleich nicht entziehen kann, aber auch. Wie schon „Chrigu“ lief Gassmanns Spielfilmdebüt auf der „Berlinale“. Und wie schon bei „Chrigu“ arbeitete Gassmann auch diesmal wieder mit einem Jugendfreund zusammen. Der Rapper Hans-Jakob Mühletaler alias Chocolococolo von den „Mundartisten“ verkörpert den zentralen Charakter in „Off Beat“ und steuerte gleichzeitig den Sound bei, der im Laufe des Films die eigentliche Hauptrolle spielt. „Off Beat“ nämlich ist zuallererst ein Musikfilm, mit Rap-Battles, Studiosessions und einer knackigen Tonspur. Wer Rap und vor allem auch Schweizer Mundart-Rap mag, sollte daran seine Freude haben. Ein wenig irritieren dürfte manchen cool ins Kino schlürfenden Rap-Macho womöglich, dass die Geschichte um eine schwule Liebe kreist.
Provokante Liebesgeschichte
Vielmehr als diese mutige, provokante Idee aber hat die Handlung des Films leider nicht zu bieten. „Off Beat“ erzählt von der unglücklichen und heimlichen Liebe zwischen dem frustrierten, orientierungslosen 26-jährigen Rapper Lukas (Hans-Jakob Mühletaler) und dem deutlich älteren Musikproduzenten Mischa (Domenico Pecoraio). Während Mischa gerne möglichst professionell arbeiten möchte, flüchtet sich Lukas in Drogen- und Alkoholexzesse. Als Mischa daraufhin Lukas’ kleinen Bruder Sämi (Manuel Neuburger) zum Nachwuchsrapper aufbauen möchte, eskaliert die Situation.
Schnörkellos und erdig
Gassmann setzt diesen recht trivialen und ziemlich dürren Plot formal mit ähnlichen Mitteln in Szene wie denjenigen, mit denen er in „Chrigu“ arbeitete: einer flexiblen Handkamera, viel Nähe und noch mehr Musik. Ton- und Bildebene reiben sich assoziativ aneinander. Während die Bilder den roten Handlungsfaden spinnen, tragen die Rapeinlagen, die Wort- und Gesangsduelle der beiden Brüder entscheidend dazu bei, die Atmosphäre poetisch zu verdichten. Auch wenn das am Ende ärgerlicher Weise ins Melodramatische, ja fast Lächerliche kippt, ist „Off Beat“ über weite Strecken ein schnörkelloser, erdiger Musikfilm getragen vom rauen, harten Sound der Strasse und entsprechend versehen mit einem ordentlichen Schuss Rapper-Pathos.
Mitreissende Bühnenauftritte
Die Laiendarsteller Hans-Jakob Mühletaler und Manuel Neuburger verleihen dem Film vor allem, aber nicht nur bei ihren mitreissenden Bühnenauftritten ein authentisches Flair, und auch Theaterschauspieler Domenico Pecoraio verkörpert den fragilen Verführer Mischa, der zwischen seiner Musik und seinen Hanfpflanzen im Grunde einsam dahinvegetiert, so glaubhaft wie das eher banale und oberflächliche Script von Gassmann und Max Fey es zulässt. Aber nach diesem simplen Konzept funktionieren ja viele Musikfilme: wenn der Sound stimmt, stört die Handlung auch nicht weiter. Bei „Off Beat“ geht das gerade noch mal auf.
(Stefan Volk)
Kritiken
National |
- Michael Sennhauser in sennhausersfilmblog.ch |
- Florian Keller für tagesanzeiger.ch |
- Christoph Schelb für outnow.ch |
Offizielle Website | Verleiher |
www.offbeat-film.com | Look Now |
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