Until Tomorrow - Ta Farda
Streaming - Release: 06.05.23 auf filmingo.ch
Filmkritik von Walter Gasperi
Eine junge Iranerin muss ihr uneheliches Baby vor den Eltern, die sie in Teheran besuchen wollen, verstecken. Mit ihrer Freundin sucht sie verzweifelt nach einer Betreuung für das Neugeborene.
Ali Asgari deckt in seinem dichten, an die Filme der Dardenne-Brüder erinnernden Sozialdrama die bedrückende Situation der Frauen im Iran auf.
Entschlossen blickt die junge Fereshteh (Sadaf Asgari) bei ihren Situps in die Kamera. Man spürt schon, dass diese Studentin eine Kämpferin ist, die nicht so schnell aufgibt. 85 Minuten lang wird Ali Asgari in seinem zweiten langen Spielfilm der von seiner Nichte Sadaf Asgari zurückhaltend, aber mit großer Präsenz gespielten Frau durch einen Tag folgen. In jeder Szene wird sie präsent sein. Die Suche nach einer Betreuung für ihr Baby wird zum Motor und zum Zentrum des Films.
Fereshtehs Eltern haben nämlich angekündigt, dass sie am Abend aus der Provinz nach Teheran kommen werden, um sie zu besuchen. Vom unehelichen Kind und vom Umstand, dass sich dessen Vater schon wieder verabschiedet hat, dürfen sie aber nichts wissen. Allein über Fereshtehs Telefonate, die sie führt, während sie Wäsche aufhängt und sich um ihr Baby kümmert, erfährt man von diesem Hintergrund.
Zunächst einmal muss eine Aufbewahrungsstätte für alle Babysachen gefunden werden. Doch die Nachbarinnen reagieren zurückhaltend, geben teils an, dass sie zu wenig Platz haben, teils dass sie zunächst ihren Mann fragen müssen.
Ist dieses Problem einmal gelöst, muss vor allem eine Person gefunden werden, die das Baby für eine Nacht aufnimmt. Mit ihrer Freundin Atefeh (Ghazal Shojaei), die das Baby selbst nicht aufnehmen kann, da sie in einem Wohnheim lebt, begibt sich Fereshteh so auf eine Odyssee durch Teheran. Wie sie dabei immer wieder abgewiesen werden, weckt auch Assoziationen an die biblische Herbergssuche von Maria und Josef, auch wenn dort die Geburt erst bevorsteht.
Großen Drive und Dichte entwickelt "Until Tomorrow" durch die Unmittelbarkeit der Erzählweise. An die Dardenne-Brüder erinnert nicht nur der Verzicht auf jegliche Filmmusik, sondern mehr noch, wie Asgari in langen Handkamerafahrten den beiden Protagonistinnen immer wieder hautnah im Rücken folgt oder aber vor ihrem Vorwärtsdrängen zurückweicht. Spürbar wird in dieser rastlosen Erzählweise der Druck, unter dem die beiden Freundinnen stehen.
Daneben gibt es, wenn sie eine mögliche Betreuerin gefunden haben, aber auch immer wieder lange ruhige Einstellungen, in denen die Situation diskutiert wird. Sichtbar wird dabei immer wieder die Diskriminierung der Frau im Iran. Da wurde beispielsweise eine Anwältin, die das Baby aufnehmen wollte, von der Polizei kurz zuvor verhaftet, der Ex-Freund und Kindesvater steht aus Angst vor seinem eigenen Vater nicht zu Fereshteh und dem Baby und auch ein scheinbar wohlwollender Chefarzt legt schließlich dunkle Seiten an den Tag.
Immer wieder reden sich die Leute darauf hinaus, dass sie aufgrund von Verantwortung gegenüber anderen das Baby nicht annehmen können. Mitgefühl und Hilfsbereitschaft legt in dieser Gesellschaft, in der das Handeln vielfach von Angst bestimmt wird, fast niemand an den Tag.
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