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13th Zurich Film Festival, 28.9.-8.10.2017 – Bilanz und Preise Irene Genhart

 13th Zurich Film Festival, 28.9.-8.10.2017 – Bilanz und Preise Irene Genhart

Das 13th Zurich Film Festival zog viel Publikum, viele Stars und viel Prominenz an. Gleich drei Preise gingen an „Blue My Mind“, den ZhdK-Masterfilm der Zürcherin Lisa Brühlmann.

Es begann das 13. Zurich Film Festival, so man will, am 28.9. 17 mit dem legendären Wimbledon-Spiel Björn Borg – John McEnroe von 1980. Es endete das 13. Zurich Film Festival zehn Tage später mit der nicht minder legendären, aber weniger gut erinnerten Begegnung von Billie Jean King und Booby Riggs am 20. September 1973 in Houston. Die beiden Tennisfilme bildeten somit zur heiteren Freude des ZFF Co-Leiters Karl Spoerri, der seinerseits ein angefressener Tennisnarr ist, den sportlichen Rahmen des diesjährigen Festivals. Sie brachten zwar weder Emma Stone noch Steve Carrell oder Shia LaBeouf auf Zürichs grünen Teppiche, wohl aber den Schweden Sverrir Gudnason, welcher Borg spielt. Und natürlich, zur allseits gross besprochenen Eröffnung, Roger Federer. Tatsächlich aber sind Janus Metz‘ „Borg/McEnroe“ und „Battle of the Sexes“ von Jonathan Dayton und Valerie Faris zwei sehr unterschiedliche Filme, auch von ganz unterschiedlichem Kaliber: Wo der Film von Merz rund 8 Mio US-Dollar kostete, ist „Battle of the Sexes“ 25 Millionen schwer. Derweil Borg/McEnroe nicht nur im entscheidenden Spiel, sondern bis ins letzte Detail und gar in der Besetzung des jungen Borg durch dessen Sohn Leo an den Fakten folgt, lässt sich Dayton und Faris Film ziemlich viele Freiheiten heraus. Und wo „Borg/McEnroe“ letztlich bloss vom Aufsehen erregenden ersten Aufeinandertreffen zwei der grössten Tennisspieler und in deren daraus hervorgehender Freundschaft gipfelt, bringt „Battle of the Sexes“, wie der Titel es nahe legt, nicht nur ein Kapitel US-amerikanischer Sportgeschichte, sondern auch ein die ganze Welt bewegendes Stück Gesellschaftsgeschichte. Billie Jean Kings grösstes Anliegen, so zumindest erzählt es dieser Film, war weniger der Sieg oder die für damalige Zeiten riesige Gewinnsummer von 100‘000 $, sondern die gesellschaftliche Akzeptanz der Frauen. Sie forderte die Gleichberechtigung der Frauen auf dem Tennisplatz, den Respekt auch vor ihren Leistungen (nicht nur im Tennis). Fast ganz am Schluss, heisst es da denn auch – es sind sich aus grossartige Hollywood-Produktionen solches einfach schuldig – „Eines Tages werden auch wir sein dürfen, wer wir sind und lieben, wen wir wollen“. Der von Alan Cumming gespielte, homosexuelle Damensportkleider-Designer Ted Tingling, sagt solches zu der von Emma Stone gespielten Billie Jean King, die im Sommer 1973 – obwohl verheiratet – auch ihre Liebe zu Frauen entdeckt. Jahre später, ist da auch zu erfahren, liess sich scheiden, heute lebt sie mit ihrer Lebenspartnerin Ilana Kloss auf Long Island. Ein die Frauenemanzipation fördernder LGBT-Film ist „Battle of the Sexes“ also auch und setzte dem ZFF zum Schluss ein regenbogenbuntes Mützchen auf.

Das passte ganz gut: Kunterbunt nämlich präsentierte sich in den Tagen das rund 160 Filme starke Festivalprogramm. Es zog einige Hollywood-Stars und Prominenz nach Zürich. Andrew Garfield etwa, der in Andy Serkis „Breathe“ den vom Hals abwärts gelähmten Polio-Patienten Robin Cavendish spielte. Glenn Glose, die den „Golden Icon Award“ für ihre schauspielerischen Verdienste erhielt und in Björn Runges „The Wife“ die Gattin eines Nobelpreisträgers gab. Nicht zu vergessen; Alica Vikander, Bill Pullman, Moritz Bleibtreu, Al Gore, den mit einem „A Tribute Award…“ ausgezeichneten Rob Reiner und den mit einem Preis für seine Karriere geehrten Aaron Sorkin. Man ehrt sie gern, die grossen und fast grossen Filmmenschen in Zürich. Man scharwänzelt ihnen, sieht sie gern über die grünen Teppiche schreiten, am liebsten grell beleuchtet und von vielen Schaulustigen beobachtet über diejenigen, welche vor dem Corso über die Tramschienen führen. Das passt alles sehr gut zu Zürich, sehr gut auch zur traditionell jahrmarktfröhlichen Herbstzeit. Vielfältig präsentierten sich denn auch Zurichs drei Wettbewerbsprogramme, in deren Rahmen 38 Filme um drei Goldene Augen buhlten. Es waren zu viele, um sie alle zu sehen, unmöglich ist ein geordnetes Verfolgen der Wettbewerbe auch, weil das ZFF, anders als andere Filmfestivals, nicht konsequent in Zeitschienen programmiert und man so immer irgendetwas wieder verpasst. So hatte man (bzw. die Schreiberin), als es am Samstag zu Preisverkündigung ging, trotz über dreissig gesehenen Filmen, zwei der grossen Preisträger verpasst. So zum einen den von den einen Kritikerkollegen als mit herzigem Jö-Effekt apostrophierten, von anderen als feinfühliger Emanzipationsfilm geschilderte Gewinner der Sektion Internationale Spielfilme: „Pop Aye“ von Kirsten Tan. So zum anderen „Machines“, Jahun Mails sicherlich sehr beeindruckenden Dokumentarfilm über die miserablen Verhältnisse in einer indischen Stofffabrik, den Gewinner in der Sektion Internationale Dokumentarfilme. Sehr wohl gesehen aber hat man all die speziellen Erwähnungen unter denen sich mit Thomas Haemmerlis unverschämt selbstherrlichem „Die Gentrifizierung bin ich: Beichte eines Finsterlings“ und Greg Zlinskis Mystery angehauchtem Beziehungsdrama „Tiere“ auch zwei Schweizer Produktionen finden.

So richtig abgesahnt hat am 13. Zurich Film Festival die ursprünglich als Schauspielerin ausgebildete Zürcherin Lisa Brühlmann, mit ihrem ZhdK-Masterfilm „Blue My Mind“. Es ist ein ziemlich eigenwilliges Coming-of-age-Movie, wie man es vor wenigen Jahren in der Schweiz wohl kaum produziert hätte: Einmal dürfte man demnächst auch darüber reden, was sich im Schweizerfilm in den letzten Jahren mit der vermehrten Hinwendung zu Märchen und Kinderbüchern verändert hat. „Blue My Mind“ auf alle Fälle erzählt, wie seine Protagonistin sich mit dem Eintreten in die geschlechtliche Reife, eben dem Auftreten ihrer ersten Periode, in eine Meerjungfrau zu verwandeln beginnt. Es ist dies Stoff, wie er man ihn aus Märchen und nordischen Sagen kennt. Brühlmann aber verortet solches Geschehen nicht im Märchenhaften, sondern in der Realität eines gegenwärtigen Zürcher Teenageralltags. Sehr speziell, eben augenfällig anderes und faszinierend ist das; gewonnen hat Brühlmann am ZFF das Goldene Auge in der Sektion „Fokus: Schweiz, Deutschland, Österreich“, den vom SFVJ, dem Schweizerischen Verband der Filmjournalistinnen und Filmjournalisten vergebenen Kritikerpreis für den besten Erstling, sowie den erstmals vergebenen Preis der Zürcher Kirchen für den besten Film in der Sektion „Fokus: Schweiz Deutschland Österreich“.
13. ZFF, DIE LISTE DER GEWINNER
Internationaler Spielfilmwettbewerb
Jury:
Trine Dyrholm (Jurypräsidentin) / Schauspielerin / Dänemark
Mabel Cheung / Filmregisseurin / Hong Kong
Ed Guiney / Produzent / Irland
Michel Merkt / Produzent / Schweiz
Paul Negoescu / Filmregisseur / Rumänien
Lucas Ochoa / Produzent / Grossbritannien
Das Goldene Auge des 13. Zurich Film Festival für den besten Film im Internationalen Spielfilmwettbewerb geht an:
POP AYE von Kirsten Tan (Singapur)
Besondere Erwähnungen gehen an:
JUSQU'À LA GARDE / CUSTODY von Xavier Legrand (Frankreich)
UNDER THE TREE / UNDIR TRÉNU von Hafsteinn Gunnar Sigurðsson (Island, Dänemark, Polen, Deutschland)

Internationaler Dokumentarfilmwettbewerb
Jury:
Simon Kilmurry (Jurypräsident) / Produzent / Grossbritannien
Gábor Hörcher / Filmregisseur / Ungarn
Hanna Polak / Filmregisseurin / Polen
Patrik Soergel / Filmregisseur / Schweiz
Das Goldene Auge des 13. Zurich Film Festival für den besten Film im Internationalen Dokumentarfilmwettbewerb geht an:
MACHINES von Rahul Jain (Indien, Deutschland, Finnland)
Besondere Erwähnungen gehen an:
DIE GENTRIFIZIERUNG BIN ICH. BEICHTE EINES FINSTERLINGS / I AM GENTRIFICATION. CONFESSIONS OF A SCOUNDREL von Thomas Haemmerli (Schweiz)
AL OTRO LADO DEL MURO / THE OTHER SIDE OF THE WALL von Pau Ortiz (Spanien, Mexiko)
Fokus: Schweiz, Deutschland, Österreich
Jury:
Quirin Berg (Jurypräsident) / Produzent / Deutschland
Anne Fabini / Filmeditorin / Deutschland
Burhan Qurbani / Filmregisseur / Deutschland
Anne Walser / Produzentin / Schweiz
Das Goldene Auge des 13. Zurich Film Festival für den besten Film im Wettbewerb Fokus: Schweiz, Deutschland, Österreich geht an:
BLUE MY MIND von Lisa Brühlmann (Schweiz)
Schweizer Förderpreis
Der Förderpreis für den besten Schweizer Film im ganzen Programm geht an:
AVANT LA FIN DE L'ÉTÉ / BEFORE SUMMER ENDS von Maryam Goormaghtigh (Schweiz) Eine besondere Erwähnung geht an:
TIERE / ANIMALS von Greg Zglinski (Schweiz, Österreich, Polen)

Kritikerpreis
Die Filmkritiker vom Schweizerischen Verband der Filmjournalistinnen und Filmjournalisten vergeben den Preis für den besten Erstlings-Spielfilm an:
BLUE MY MIND von Lisa Brühlmann (Schweiz)
Publikumspreis
Der Publikumspreis an einen Film in einem der drei Wettbewerbe, den die Zuschauer und Zuschauerinnen bestimmen konnten, geht an:
A RIVER BELOW von Mark Grieco (Kolumbien, USA)
Kinderjury
Die Kinderjury vergibt ihren Preis an:
UP IN THE SKY / UPP I DET BLÅ von Petter Lennstrand (Schweden)

Publikumspreis Kinderfilme
Der Publikumspreis für einen Film der Sektion ZFF für Kinder geht an:
DIE HÄSCHENSCHULE – JAGD NACH DEM GOLDENEN EI / RABBIT SCHOOL – GUARDIANS OF THE GOLDEN EGG von Ute von Münchow-Pohl (Deutschland)
Treatment-Wettbewerb
Der Preis für das beste Treatment geht an:
Seraina Nyikos für das Projekt SECONDO (Schweiz)
Ein Tag voraus bereits vergeben:
Der Preis der Zürcher Kirchen
an BLUE MY MIND von Lisa Brühlmann (Schweiz)