Das 14. Fantoche startet am Dienstag. Von Doris Senn / Redaktionelle Beiträge / User-Beiträge / Home / 451°F - 451°F Film-Newsletter

RUBRIKEN

KINO

UNTERSTÜTZE UNS

Damit wir das Projekt 451° Filmportal aufrecht erhalten können, sind wir auf deine Spende angewiesen. Vielen Dank!

PARTNER

Das 14. Fantoche startet am Dienstag. Von Doris Senn

Das 14. Fantoche startet am Dienstag. Von Doris Senn

Ein Feuerwerk des Animationsfilms: Das 14. Fantoche startet am Dienstag mit dem vielprämierten «Ma vie de courgette» des Wallisers Claude Barras in ein rundum ausgebautes Programm.

Swissness zum Auftakt
Der Westschweizer Altmeister Georges Schwizgebel («La jeune fille et les nuages») fertigte den Festivaltrailer – und der Walliser Claude Barras eröffnet das 14. Animationsfilmfestival Fantoche in Baden mit «Ma vie de courgette». Basierend auf dem Erfolgsroman von Gilles Paris, zeichnet «Ma vie de courgette» ein humorvolles Melodram um den neunjährigen Icare alias Courgette, der nach dem unglücklichen Tod seiner Mutter im Waisenhaus landet und sich dort unter der Kinderschar zurechtfinden muss. Ein herzerwärmendes kleines Meisterwerk! Bei seiner Premiere in Cannes erntete es minutenlange Standing Ovations, und in Annecy, dem Weltmekka des Animationsfilms, erhielt der Film im Juni den begehrten «Cristal» als bester Film und den Publikumspreis. Die Plastilinfiguren in Barras’ Film wurden in Stopmotion-Technik animiert, und die Erzählung besticht durch ihren grossen Charme und tolle Dialoge. Mit Sophie Hunger, die den Original-Score fertigte, hat der Film sogar das Zeug zu einem kleinen Kultfilm.
«Ma vie de courgette» ist erst der zweite abendfüllende Animationsfilm, der in der Schweiz produziert wurde. Nach dem 30 Millionen schweren «Max & Co.» von Sam und Frédéric Guillaume, der floppte, ist Claude Barras mit seinem «nur» 8 Millionen teuren Streifen zurzeit auf Erfolgskurs und sogar ins Rennen um die Oscar-Nominierungen eingestiegen.

«Vive le Français!»
Vergesst das Frühfranzösisch! Wieso den Zusammenhalt der Schweiz nicht über die Festivallandschaft stärken? In diesem Jahr bereitet Fantoche sein Programm neu auch auf Französisch auf und erhofft sich davon eine verstärkte Wahrnehmung in der Westschweiz. Das gesamte Programm des diesjährigen Fantoche bietet mit einer Fülle von Filmen, zusätzlichen «Hors concours»-Programmen und Schwerpunkt-Specials – etwa «Queer Animation» oder «Humanité Animée» – Einblick ins aktuelle Animationsfilmschaffen rund um die Welt. Aus rund 1400 Kurzfilmeinreichungen aus 79 Ländern (so vielen wie noch nie!) wurden gut 70 ausgewählt und in vier Programmen «Internationaler Wettbewerb», in zweien «Schweizer Wettbewerb» – darunter der ebenfalls nach Cannes geladene «Bei Wind und Wetter» von Remo Scherrer – und zweien zum «Kinderfilm-Wettbewerb» gebündelt.

Langfilme und ihre Making-ofs
Nebst den Kurzfilmprogrammen zeigt Fantoche nicht weniger als 14 Langfilme – darunter zahlreiche Making-ofs, die einen Blick hinter die komplexen und oft langwierigen Entstehungsprozesse von Animationsfilmen ermöglichen. Nebst dem Making-of von «Ma vie de courgette» so etwa auch jenes von «Kubo and the Two Strings», der mystisch angehauchten Geschichte um den mutigen kleinen Kubo, der sich mit seinen Gefährten Monkey und Beetle auf die Reise macht, um das Rätsel um seinen Vater, einen legendären Samuraikrieger, zu lösen. Der Film wurde vom nordamerikanischen Animationsfilmstudio Laika («Coraline») produziert und lässt darin auch furchterregende Monster auftreten – darunter die grösste je animierte Figur: der gruslige Knochenmann. Das Making-of zeigt dessen Entstehungsgeschichte. «La tortue rouge» wiederum, der bei uns bald ins Kino kommt, ist die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem berühmten japanischen Ghibli-Studio («Spirited Away») und dem Niederländer Michael Dudok de Wit, der mit seinem Kurzfilm «Father and Daughter» 2000 einen Oscar gewann. «La tortue rouge» ist eine Robinsongeschichte um einen Schiffbrüchigen, der auf einer einsamen Insel strandet und von einer roten Riesenschildkröte wiederholt daran gehindert wird, diese zu verlassen – bis er unverhofft die grosse Liebe findet. «The Longing of Michael Dudok de Wit» begleitet den Filmemacher während zwei Jahren bei seinen aufwendigen Regiearbeiten.
Schliesslich zeigt Fantoche auch den nicht ganz jugendfreien «Nuts!» der US-amerikanischen Penny Lane. Der aus Archivmaterial und animierten Szenen zusammengestellte Dokumentarfilm erzählt von John R. Brinkley, der versuchte ab den 1920er-Jahren impotente Männer mit Ziegenhoden zu behandeln. «Nuts!» erlebte seine Premiere in Sundance, wo er auch ausgezeichnet wurde, und ist zurzeit in den USA auf Erfolgstournee.

«Fantoche Expanded»
Nebst den Filmen bietet Fantoche auch ein ausgreifendes Rahmenprogramm – so etwa den Vortrag von Sam Guillaume («Max & Co»), der insbesondere einem jugendlichen Publikum Einblick in die verschiedenen Animationstechniken gibt. Der Schweizer Simon Otto erzählt, ebenfalls in einem Vortrag, von seinem Werdegang von der ZHdK in Zürich über die Animationsschule in Paris zu Walt Disney und schliesslich DreamWorks («Shrek», «Kung Fu Panda», «How to Train your Dragon»). Schliesslich taucht die ganze Gastgeberstadt Baden buchstäblich ins Festival ein – mit «Bagno popolare», bei der die Thermaltradition mit einem «Badefilm»-Programm kombiniert wird. Oder Filmemacher/innen zaubern – unterwegs mit Velo und Projektor – Animationen auf die Fassaden der Stadt.
(Doris Senn)

Das 14. Internationale Festival für Animationsfilm findet vom 6. bis 11. September 2016 in Baden statt.
www.fantoche.ch