Fliegende Fische
Rezension von Irene Genhart
Mit „Fliegende Fische“ stellt die bisher vor allem als (Drehbuch-)Autorin und Kolumnistin bekannte Güzin Kar ihren ersten langen Kinospielfilm als Regisseurin vor. Eine beschwingte Schweizer Mutter-Tochter-Komödie.
Fünfzehn ist Nana und damit in einem Alter, in dem Mädchen in der Schweiz entweder noch die Schulbank drücken oder in der Ausbildung stecken. In einem Alter auch, in dem man normalerweise träumt, schwärmt, die erste Liebe erlebt, aufmuckt und sich von zu Hause abzuseilen beginnen. Nicht so Nana. Nicht, dass die Protagonistin von „Fliegende Fische“ nicht träumte: von grossen Schiffen, dem Meer, einer Ausbildung als Kapitänin. Nicht, dass sie, die mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern idyllisch an einem Fluss im Aargauischen lebt, nicht andere Jugendliche kennt und mit denen auch schon mal rumhängt. Nur ist Nana die Tochter von Roberta. Und Roberta ist in Nanas Augen die „unfähigste Mutter aller Zeiten“, die „peinlichste Figur im ganzen Universum“ und wer Roberta als Mutter hat, hat die „Arschlochkarte gezogen“: Ein Blatt vor den Mund nimmt die jugendliche Protagonistin dieser munteren Schweizer Komödie nicht.
Einen Mann für die Mutter
Doch man kann sie verstehen. Denn wo andere Jugendliche um des Rebellierens willen rebellieren, hat es Nana (eine Entdeckung: Elisa Schlott) mit Roberta (keck: Meret Becker) wirklich schwer. Roberta nämlich liebt den Alkohol, die Männer, den Flirt. Sie hasst Haushaltsarbeit, hat keinen Job, überlässt die Kinder oft sich selber. Und anders als die anderen Frauen vom Dorf singt Roberta nicht im Chor, kleidet sich nicht gelb, sondern rot. Und sie steht auch nicht im Dorfladen und tratscht, sondern ist Gegenstand dieses Tratschs. Kein Zustand ist das auf die Dauer. Und es ist dies umso weniger, weil Nana sich immer um ihre Geschwister kümmern muss, und statt dass sie eine Ausbildung macht als Schleusenwärterin arbeitet. Nach einem weiteren spektakulären Absturz von Roberta greift das Sozialamt ein. Dreissig Tage Zeit gibt die Sozialbeamtin Roberta um einen Job zu suchen und ihre Fähigkeiten als Mutter zu beweisen, ansonsten droht sie ihr mit Sorgerecht-Entzug. Das nun aber will Nana verhindern. Denn so mühsam das Leben mit Roberta ist: Man ist doch eine Familie, sich zugetan, will zusammenbleiben. Um das drohende Unheil abzuwenden, analysiert Nana, braucht Roberta einen Mann. Beginnt einen solchen zu suchen und scheint im neuen Dorfarzt tatsächlich fündig zu werden. Doch ganz so einfach ist die Sache mit Männern, Frauen und der Liebe eben nicht.
Leichtfüssig-beschwingte Coming-of-Age- und Dorfkomödie
Versiert mit den Versatzstücken einer Coming-of-age-Comedy jonglierend, schildert Güzin Kar in „Fliegende Fische“ eine komplexe Mutter-Tochter-Beziehung und erzählt die Geschichte eines Mädchens, das unter keinen Umständen so werden will wie seine Mutter, es aber trotzdem wird. Überzeugend sind Meret Becker und Elisa Schlott als Mutter und Tochter. Charmant gibt Barnaby Metschurat den Mann, der Frauenherzen höher schlagen lässt. Wohltuend seelenvoll (auch auf das Geschehen) wirkt Hanspeter Müller-Drossaart als Chorleiter, bei dem die sozialen Fäden des Dorfes zusammenlaufen. Sicher, der eine oder andere Dialog in „Fliegende Fische“ kommt etwas zu angestrengt pointiert daher. Auch neigt die Inszenierung da und dort – etwa in der Farbgebung der Kleidung – zu einer übertriebenen Theatralik. Alles in allem aber ist Güzin Kars erster langer Kinospielfilm eine durchaus gelungene, leichtfüssig beschwingte Schweizer Coming-of-age- und Dorf-Komödie.
Kritiken
Website | Verleiher |
www.fliegendefische-derfilm.ch | Vega Film |
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