Le Ravissement
Filmkritik von Walter Gasperi
Eine Hebamme gibt das Kind ihrer Freundin als ihr eigenes aus, um die Liebe eines Mannes zu gewinnen: Eine unglaubliche Geschichte, aber ein großartiger und berührender Film, der in keine Schublade passt und bewegend von Einsamkeit, Mutterschaft und Sehnsucht nach Liebe erzählt
Eine ganz eigene Stimmung erzeugt schon der Auftakt von Iris Kaltenbäcks Spielfilmdebüt. Mit den Augen eines Busfahrers lässt die 36-jährige Tochter einer französischen Mutter und eines österreichischen Vaters, dem sie "Le ravissement" ("Das Entzücken") gewidmet hat, auf die nächtlichen Straßen von Paris und die Passanten blicken.
Dokumentarisch wirken die ungeschönten Bilder von Marine Atlan, während ein schon die Zukunft kennender, zunächst anonymer Erzähler den Fokus vom Allgemeinen auf die Hebamme Lydia (Hafsia Herzi) lenkt. Mit ihrer leuchtend roten Jacke, in der man auch ein Signal für ihr inneres Brennen und ihre Sehnsucht sehen kann, sticht sie am dunklen Gehsteig heraus.
Mit der Off-Stimme, die nach einiger Zeit dem serbischstämmigen Busfahrer Milos (Alexis Manenti) zugeordnet werden kann, kann Kaltenbäck die Trennung von Lydia von ihrem Freund Julien raffen. Scheinbar locker nimmt sie das Ende dieser dreijährigen Beziehung, geht auf die Party ihrer Freundin Salomé (Nina Meurisse), die ihr mitteilt, dass sie schwanger ist.
Dem Glück Salomés steht so das Unglück Lydias gegenüber, die sich in ihre Arbeit als Hebamme stürzt und nachts mit dem Bus durch Paris fährt. Stimmungsvoll vermittelt Kaltenbäck ihre Einsamkeit, bis auch sie mit der Begegnung mit dem Busfahrer Milos das Glück zu finden scheint. Doch dieser bricht nach einem One-Night-Stand den Kontakt ab, sodass die etwa 30-Jährige in noch tiefere Einsamkeit stürzt.
Ersatz für eine Beziehung findet sie in der Begleitung Salomés bei der Schwangerschaft und bei der Geburt, die Kaltenbäck wieder ausführlich mit dokumentarischem Blick filmt. Sogar den Namen gibt Lydia dem Kind, der mit Esmé, was so viel heißt wie "die, die geliebt wird" oder "die Geschätzte", auf ihre eigene Sehnsucht verweist.
Zufällig begegnet sie mit dem Kind im Arm aber nun Milos, nennt Esmé ihr eigenes Kind und ihn den Kindsvater. Reagiert Milos zunächst abweisend, findet er bei weiteren Treffen nicht nur Gefallen an dem Baby, sondern auch er und Lydia kommen sich näher, während sie sich freilich immer tiefer in ihre Lüge verstrickt.
Dass die Geschichte, zu der sich Kaltenbäck von einem kurzen Zeitungsbericht angeregt wurde, mit einem Prozess enden wird, nimmt Milos´ Erzählerstimme schon früh vorweg. Wie dieser mit Fortdauer zunehmend zurückhaltend eingesetzte Erzähler so verleiht auch die Mischung aus dokumentarisch-nüchternen Bildern mit verwaschenen Farben und starken Farbakzenten durch Lydias Jacke oder einen gelben Strampler des Babys dem Film eine ganz eigene Stimmung.
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