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Oslo, August 31st

N 2011, 96 Min., OV/df, Regie: Joachim Trier, mit Anders Danielsen Lie, Malin Crépin, Aksel M. Thanke, Hans Olav Brenner

Oslo, August 31st

Rezension von Irene Genhart

In „Oslo, August 31st“ begleitet Joachim Trier einen labilen jungen Mann durch seine letzte Krise. Die Hauptrolle gehört dem sensiblen Anders Danielsen Lie.

Oslo im Spätsommer. Ein Stadt, heiter, hell, ein wenig herbstbunt schon. Parks, öffentliche Plätze, Strassen. Ein Schwimmbad. Cafés, die zum Verweilen einladen, Restaurants, Bars, Clubs. Ganz am Anfang, quasi als Prélude, eine Ode an Oslo. Ein Potpourri aus Archivaufnahmen des norwegischen Fernsehens und im Off vorgetragenen Erinnerungssätzen: Oslo, das war… Dann der Sprung in die Gegenwart. Oslo, das war bis vor sechs Jahren Anders Heimat. Da ist er aufgewachsen, als Sohn grossbürgerlicher Eltern. Anständig erzogen, clever, studiert. Doch etwas lief falsch.

Psychisch angeschlagener Protagonist
Irgendwann nahm Anders eine Kurve nicht, wo andere abbogen. Blieb am Heroin hängen, landete in der Klinik auf dem Land, wo er von seiner Sucht tatsächlich loskam. Nun ist er 34-jährig clean und für einen Neustart bereit, wie Betreuer und Ärzte meinen. Doch Anders sieht das anders: Frühmorgens, beim Joggen, geht er ins Wasser. Schwer wiegt der Stein in seiner Hand. Doch es hält ihn nicht in nassen Tiefen, erschütternd ist diese Szene früh im Film; das Scheitern des Selbstmörders an seiner Tat eine Ungeheuerlichkeit. Doch leider sieht keiner Anders‘ Kampf. Und so lässt man den seelisch Angeschlagen, der von Anders Danielsen Lie gespielt ein charismatisch-charmant-ekliger Egozentriker ist, den man bald mag, bald verabscheut, für einen Tag alleine nach Oslo gehen. In zwei Wochen soll er aus der Klinik entlassen werden, sich davor einen Job suchen. Die Stelle auf der Redaktion eines Musikmagazins wäre für Anders wie geschaffen. Doch cool und smart, das war Anders früher, als er noch Drogen nahm. Nun aber ist er schüchtern und verunsichert. Auch seine Bekannten und Freunde haben sich verändert. Sie haben weitergelebt, sind älter geworden: Anders‘ einst bester Freund Thomas hat nun Frau, zwei Kinder. Er ist in die Gutbürgerlichkeit gerutscht und Anders‘ spontaner Besuch bringt ihn in die Bredouille. Gleichwohl nimmt er sich Zeit, setzt sich mit Anders in den Park, und da reden sie. Über Veränderungen, Lebensentwürfe, damals und heute. Ein freundschaftliches Männergespräch, wie man es im Kino selten sieht, ist das, und bringt Anders doch nicht weiter. Bloss noch ein wenig einsamer ist er nachher und so ergeht es ihm die ganze Zeit: Obwohl Anders quasi die immer von Menschen umgeben ist, wird er in „Oslo, August 31st“ einsamer und einsamer.

Epistel zum Abschied
Lose am Roman „Le feu follet“ von Pierre Drieu La Rochelle lehnt dieser an; Louis Malle hat denselben Roman 1963 bereits einmal verfilmt. Joachim Trier, der mit „Oslo, 31. August“ seinen nach „Reprise“ (2006) zweiten Kinospielfilm vorstellt, hat daraus eine eigentliche Epistel zum Abschied geflochten. Anders möchte seine Schwester sehen, doch diese meidet ihn. Er kehrt nach feucht-fröhlicher Nacht zurück ins Elternhaus, es steht zum Verkauf. Die Brücken sind abgebrochen, die Vergangenheit ist verloren, die Zukunft verbaut. Selbstverloren greift Anders in die Tasten des Flügels: Er wäre ein begnadeter Pianist, ein guter Journalist, vielleicht gar erfolgreicher Autor geworden. Doch Trier rettet seinen Protagonisten nicht. Vielmehr zeichnet er mit stets leise wackelnder Kamera dessen letzten Abschied nach. Erheiternd ist „Oslo, 31. August“ bei Gott nicht. Doch er ist menschlich, geht herb und intensiv direkt unter die Haut und glüht da über Wochen beunruhigend nach. Ein starkes Stück.
(Irene Genhart)

 

Kritiken

National International
- outnow.ch - Boyd van Hoeij für variety.com
- Daniela Zimmermann für zs-online.ch - Peter Bradshaw für guardian.co.uk
  - Ela Bittencourt für slantmagazine.com
   
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