Summer 1993
Filmkritik von Dominic Schmid
Es gibt kaum etwas Schwierigeres, als die Erfahrungswelt eines Kindes darzustellen. Alles, was den Menschen unergründlich macht – seine Vergangenheit, seine Geheimnisse, seine Traumata –, ist da noch unverfügbarer als bei Erwachsenen.
Die Katalanin Carla Simón versucht es dennoch in Summer 1993, einer autobiografisch inspirierten Erzählung, deren Hauptfigur, die sechsjährige Frida, mit der Regisseurin «identisch» ist. Dabei möchte man meinen, dass die eigene Erinnerung einen unmittelbareren Zugang zur kindlichen Wahrnehmung öffnen würde. Doch zugleich kommt einem selten etwas fremdartiger vor, als die eigene Person im frühen Kindesalter – vor allem wenn sich diese frühere Version von einem selbst gerade mitten in einem unartikulierten posttraumatischen Zustand befindet. Das äusserst schwierige Unterfangen also, zu dem sich Summer 1993 anschickt, ist eine empathische Annäherung an jenes frühere Selbst, mit allen Tücken und Vorzügen der fragmentarischen Erinnerung, die gleichzeitig alles und nichts mit jener Person zu tun hat, die man später geworden ist.
Die ersten Einstellungen, die Erinnerungen darstellen, sind unscharf und überwältigend: im Himmel ein Feuerwerk, im Vordergrund Frida, deren wilden Lockenkopf wir nur von hinten sehen. Ein Bub fragt sie, weshalb sie nicht weine. Die Frage wirkt unverständlich, doch sobald wir den Kontext erfahren, beginnen wir sie uns selbst zu stellen. Warum weint Frida nicht, die allen Grund dazu hätte? Die Mutter ist, wie vermutlich zuvor schon der Vater, an Aids gestorben. In der Wohnung ihrer Eltern in Barcelona sind nun Erwachsene – erneut im unscharfen Hintergrund – gerade dabei, die Wohnung zu räumen und über Fridas weiteres Leben zu entscheiden. Sie kommt in die Obhut ihrer Tante und ihres Onkels, die mit ihrer dreijährigen Tochter Anna im ländlichen Katalonien leben.
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