The woman with a broken nose
Rezension von Cindy Hertach
Der serbische Regisseur Srdjan Koljevic erzählt die Geschichte dreier Menschen, deren Leben sich von Grund auf ändert, als sie Zeugen eines Selbstmordes werden. Die Tragikomödie ist ein stimmiges und lakonisches Porträt von Belgrad und dessen Bewohnern.
Es regnet in Strömen, während der eigenbrötlerische Taxifahrer Gavrilo, ein serbischstämmiger Bosnienflüchtling, fluchend seinen Wagen durch den zähflüssigen Verkehr von Belgrad steuert. Unwillig pickt er einen durchnässten Fahrgast vom Strassenrand auf, ehe er auf der Belgrad-Brücke in einen Stau gerät. Sein Gast entpuppt sich indes als verstörte junge Frau mit gebrochener Nase. Vollkommen überraschend stürzt sie auf der Brücke aus dem Taxi und mit einem entschlossenen Sprung in den reissenden Fluss. Zurück lässt die Selbstmörderin neben dem entsetzten Taxifahrer auch ein Baby auf dem Rücksitz des Wagens. In den umliegenden Autos haben dieses Unglück bloss die Apothekerin Biljana und deren Verlobter, sowie die Lehrerin Anica mitbekommen. Als Biljana nach einem hitzigen Streit, in welchem sie ihrem Freund unterlassene Hilfeleistung vorwirft, die Beziehung beendet, aus ihrem Auto aus- und in Anicas’ einsteigt, ist das der Beginn einer aussergewöhnlichen Schicksalsgemeinschaft. Beide Frauen, sich vollkommen fremd, beschliessen nach diesem Schock, erst mal in die nächste Bar eins trinken zu gehen. Unterdessen bringt Gavrilo das Baby auf eigene Faust bei der befreundeten Prostituierten Jadranka unter und macht sich danach in den städtischen Leichenhäusern auf die Suche nach der Selbstmörderin. Durch den Selbstmord der Fremden wird Anicas, Biljanas und Gavrilos Schicksal untrennbar miteinander verwoben und es wird ab da einen für sie alle völlig unerwarteten Verlauf nehmen.
Psychogramm einer Metropole im Umbruch
Wenn der 1966 geborene serbische Filmemacher und Drehbuchautor Srdjan Koljevic vom individuellen Leidensweg seiner drei Protagonisten erzählt, offenbart er auch einen bedeutenden Teil seiner eigenen schmerzhaften Geschichte. Dies, indem er in der Figur des Taxifahrers Gavrilo einige autobiographische Gemeinsamkeiten angelegt hat. Koljevic, selbst in Sarajevo geboren, strandete nach dem Krieg – wie Gavrilo – als serbischer Bosnienflüchtling in Belgrad, wo er sich unverhofft als Aussenseiter in der Peripherie einer abweisenden und chaotischen Gesellschaft im Umbruch wiederfand. Trotz der damit verbundenen gesellschaftlichen Entfremdung und Isolation gelang Koljevic ein erfolgreicher Neuanfang. Sämtliche zwölf Filme, an denen er als Autor am Drehbuch beteiligt war, wurden national zum Publikumserfolg. Koljevic gilt heute als erfolgreichster Drehbuchautor seines Landes und lehrt als Professor an der Universität der Künste in Belgrad Dramaturgie.
Alte Musik für Belgrads Neuanfang
Was in Koljevics Erzählung mit einem dramaturgischen Donnerschlag – dem Selbstmord auf einer Brücke zwischen dem neuen und alten Belgrad – seinen Lauf nimmt, entpuppt sich als feines und gleichermassen lakonisch inszeniertes filmisches Psychogramm einer traumatisierten Metropole. So graublau, verregnet und deprimierend wie Belgrads Stadtbild in Szene gesetzt wird, so sieht es auch im Leben der drei Hauptfiguren aus. Der Jugoslawienkrieg ist schon lange vorbei – die Trauer und die Schuld, das Trauma und die Depression gehören im kollektiven Gedächtnis vordergründig der Vergangenheit an. Dennoch scheint das Erlebte unter der Oberfläche des Alltags weder verarbeitet noch vergessen zu sein. Die Gesellschaft, verkörpert von Anicas, Biljanas und Gavrilos individuellen Schicksalen, ist nach wie vor verunsichert und blockiert, die Figuren gelähmt vom Ballast privater Schicksalsschläge, den abzuschütteln niemand so recht imstande ist. Es ist ein mühevoller und gleichzeitig auch optimistischer Aufbruch, den Koljevic in zahlreichen liebevoll erzählten Episoden, die sich wie von selbst zu einem grossen Ganzen zusammenfügen, entwirft. Der Tristesse und Melancholie begegnet er mit Musik aus vergangenen Tagen. Sowohl der Taxifahrer, als auch die Apothekerin und Lehrerin hören ununterbrochen das Programm eines lokalen Radiosenders, der die heiteren und kitschigen Oldie-Melodien aus den unbeschwerten 1960er Jahren auf und ab spielt – für die Figuren ein leiser, aber fortwährender Trost.
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