About Dry Grasses - Kuru Otlar Üstüne
Streaming - Release: 19.4.24 auf filmingo.ch
Filmkritik von Walter Gasperi
Nuri Bilge Ceylan entführt in die Weite des winterlichen Anatoliens, in der ein Lehrer nach dem Studium seinen Pflichtdienst absolviert. In getragenem Rhythmus und bestechender Bildsprache durchleuchtet der türkische Meisterregisseur in langen, aber messerscharfen Dialogen die Charaktere der Protagonist:innen und ihre Widersprüchlichkeiten.
Unter drei Stunden geht es bei Nuri Bilge Ceylan seit seinem 2014 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichneten "Winterschlaf" nicht mehr. Auch in "About Dry Grasses" lässt er sich episch breite 197 Minuten Zeit, ohne dass äußerlich allzu viel erzählt würde.
Schon die erste Einstellung, in der in der Ferne ein Kleinbus stoppt und einen Mann aussteigen lässt, der langsam auf einer Seitenstraße über die verschneite Ebene bei Schneesturm auf die Kamera zugeht, stimmt auf den Erzählrhythmus ein.
Nach den Semesterferien, kehrt der Lehrer Samet in das abgelegene ostanatolische Städtchen zurück. Hier erfüllt er nun schon das vierte und letzte Jahr des Pflichtdienstes, bei dem alle Lehramtsabsolvent:innen über das Land verteilt werden, ehe sie um Versetzung an eine andere Schule ansuchen können. So schnell wie möglich weg in Richtung Istanbul möchte Samet, während sein Kollege Kenan, mit dem er in einer Lehrerunterkunft lebt, sich an diese Region gewöhnt zu haben scheint.
An der Grundschule unterrichtet er Kunst, besonders zur Schülerin Sevim hat er ein gutes Verhältnis und macht ihr auch kleine Geschenke, bis er und Kenan vor die Bildungsbehörde zitiert und mit dem Vorwurf der Übergriffigkeit gegenüber Schülerinnen konfrontiert werden. Wie sich mit dem Schulleiter eine heftige Diskussion darüber entwickelt, wer sie hier angezeigt habe, so mit dem unterstellten Direktor, weil dieser sie nicht selbst über den Vorwurf befragt, sondern diesen gleich weitergeleitet hat.
Obwohl die Beschuldigung keine weiteren Folgen hat, sondern vertuscht wird, tritt Samet im Unterricht nun zunehmend aggressiv und zornig auf. Parallel dazu knüpft er aber auch Kontakt zu der in einer benachbarten Stadt unterrichtenden Nuray, die bei einem Selbstmordattentat ein Bein verloren hat.
Wenig Interesse scheint Samet zunächst an dieser einst politischen aktiven Frau zu haben, doch als er sie Kenan vorstellt und sich eine Beziehung zwischen ihnen zu entwickeln scheint, reagiert er eifersüchtig und zunehmend intrigant. Als dritter Erzählstrang kommen noch die Besuche Samets bei einem Tierarzt dazu, bei dem er sich öfters abends mit einem jungen Kurden trifft, dessen Vater seit seiner Verhaftung spurlos verschwunden ist und der selbst von der Polizei bespitzelt wird.
Wie mit diesem Kurden so fließt auch mit nächtlichen Schüssen, mit denen wohl der bewaffnete Konflikt mit den Kurden angedeutet wird, oder dem Selbstmordattentat die politische Realität ein, im Zentrum steht aber die Durchleuchtung der Charaktere und ihrer Widersprüchlichkeit. Schwarz und weiß gibt es hier nicht, sondern vor allem Samet offenbart auch dunkle Seiten, während Nuray, für deren Verkörperung Merve Dizdar bei den Filmfestspielen in Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet wurde, als kluge und positive Frau gezeichnet wird.
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