An den Peripherien der menschlichen Zivilisation erzählt der Dokumentarfilmer Udo Maurer in "Über Wasser" Geschichten über den Umgang mit dem "nassen Element": im überfluteten Bangladesch, wo aus Häusern Boote werden können, in der Steppe Kasachstans, wo Fischerdörfer mitten in der Wüste stehen, und in den dichtbesiedelten Slums von Nairobi, wo Trinkwasser zur Ware und zu einer Frage von Leben und Tod wird. "Über Wasser" lässt die vielen Geschichten, Erlebnisse und Erinnerungen der betroffenen Menschen ihre Wirkung entfalten. Der Film beginnt in Bangladesch, wo sich das Leben der Bauern im und um das Zuviel an Wasser abspielt, das die Erde erodieren lässt. Hier hat das Wasser eine Art Wassernomaden geschaffen, die sich den Naturgewalten anpassen und in aller Eile das Dach ihres Wellblechhauses in ein Boot umfunktionieren können, um Hab und Gut von ihrem versinkenden Grundstück zu neuen Ufern zu transportieren.
Beeindruckende und irritierende Bilder erwarten die Zuseher dann in Kasachstan, wo das Zurückweichen des vormals viertgrößten Binnengewässers der Erde, des Aralsees, eine Stadt - Aralsk - von Fischern ohne Fische und einen monumentalen Schiffsfriedhof in der Wüste hinterlassen hat. Inmitten dieser nahezu surrealen Landschaft begegnet die Kamera einem alten Kapitän, der vom entschwundenen Naturparadies erzählt, und einem Filmvorführer, der den Kontrast zur verwüsteten Stadt in seinem Kino mittels idyllisch jubelnder sowjetischer Propagandafilme herstellt.
Warum der Film den Untertitel "Menschen und gelbe Kanister?" trägt, wird im dritten Kapitel klar, wenn sich Bewohner von Kibera, des größten Slums in Nairobi, abmühen, das lebensnotwendige Nass in ebendiesen gelben Kanistern nach Hause zu schleppen. Das Wasser ist hier zur Ware geworden, und es ist gerade dort am teuersten, wo die Menschen am wenigsten Geld haben. Das vielleicht klarste und beunruhigendste Statement des Films kommt von einem Wasserverkäufer aus Nairobi, der erklärt: "Nicht jeder kann fließendes Wasser zu Hause haben, denn auch die Finger meiner Hand sind nicht gleich lang."
Udo Maurer dokumentiert in "Über Wasser" die Probleme, Erlebnisse und Wünsche der Menschen vor Ort. Das gelingt vielleicht auch deshalb so eindringlich, weil der Regisseur den Menschen etwas gegeben hat, was sie von Besuchern aus dem Westen selten erwarten können: viel seiner Zeit. Es erklärt vielleicht auch, warum in allen drei Episoden gerade auch Frauen ihren Standpunkt einbringen können, ohne einem postkolonialen Blick ausgesetzt zu sein. Während "Über Wasser" emotionale Nähe zu den ProtagonistInnen, die mit dem und um das Wasser kämpfen, herstellt, wird dem Zuseher und der Zuseherin die Möglichkeit gegeben, sein und ihr Denken grundsätzlich zu reflektieren - und die Frage zu stellen, ob Wasser "Ware" oder "Menschenrecht" ist.
Regie: Udo Maurer
Konzept: Ursula Sova, Michael Glawogger
Regieassistenz: Gregor Weiss
Produktionsleitung: Monika Lendl
Schnitt: Oliver Neumann, Ilse Buchelt, Emily Artmann