„Stellen wir diese Waffe in unseren Dienst“. Film und Arbeiterbewegung in der Schweiz - Buchbesprechung von Irene Genhart
„Stellen wir diese Waffe in unseren Dienst“ titelt hübsch unzeitgeistig eine von Stefan Länzlinger und Thomas Schärer verfasste Neuerscheinung aus dem Zürcher Chronos Verlag. Der Titel ist Teil eines längeren Zitates. „Lassen wir den Film in Städten und Dörfern, in Kinos, in öffentlichen Partei- und Gewerkschaftsversammlungen, überall, wo wir nur eine Möglichkeit dazu haben, laufen und zum Volke sprechen“, geht dieses weiter. Es stammt aus einem 1934 erschienenen Mitteilungsblatt der Schweizerischen Arbeiterzentrale (SABZ) und bekräftigt deren Entschluss, den Film fortan in die Propagandaarbeit einzuschliessen: Um die Geschichte der Schweizer Arbeiterbewegung und den Film geht es in Länzlinger/Schärers Publikation. Hervorgegangen ist diese aus einem vom Schweizerischen Sozialarchiv zusammen mit dem Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes in der Schweiz (Memoriav) Ende der 1990er Jahre angestossenen Projekts zur Erhaltung und Digitalisierung des Filmarchivs der Schweizerischen Arbeiterzentrale.
Die Autoren nähern sich ihrem Sujet von verschiedenen Seiten und in unterschiedlichen Ansätzen. Als erstes erläutern sie, wie der „soziale Film“ nach einer ersten diffizilen Annäherung der Arbeiterbewegung an das „Schmutz und Schund“ verbreitende neue Medium in den 1930er und 1940er Jahren zur Hochblüte kam, um in 1950ern dann still zu verschwinden. In einem weiteren Schritt nähern sich Länzlinger/Schärer dem Thema von filmanalytischer und produktionstechnischer Seite. Da ist zum einen der Versuch einer gattungsbezogenen Eingliederung. Er führt über die Erläuterung der Begriffe „Kampagnen-“, „Selbstdarstellungs-“ und „Imagefilm“ zur Einsicht, dass es einen echten „proletarischen Film“ in der Schweiz gar nie gab. Dies aus dem simplen Grund, weil bis Ende der 1950er Jahre die Filmherstellung derart teuer war, dass sich die Arbeiterschicht sich diese nicht leisten konnte. Konsequent sprechen die Autoren denn auch vom „sozialen“ oder „im Umfeld der Arbeiterschaft entstandenen“ Film.
Wenn „Stellen wir diese Waffe in unseren Dienst“ etwas auszeichnet, ist es eine exquisite Akribie: Keine süffige Bettlektüre, sondern Stoff für intensives Studium bietet dieses ungemein fakten-, namen-, titel- und datenreiche Büchlein. Abgerundet wird es durch eine kommentierte Filmografie sowie eine DVD. Die Filmografie, die Jahre 1917-1962 umfassend, strebt „zumindest im Bereich der professionellen Produktionen“ Vollständigkeit an; die Inhaltsangabe öfters mit Anekdötchen und Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte des Filmes ergänzend lädt sie zum Schmökern ein.
Die DVD enthält sieben Filme, unter anderem Richard Schweizers meisterhafter „Ein Werktag“ aus dem Jahre 1931. Schweizers Film wurde, wie die vier anderen Stummfilme, mit einer neuen Komposition unterlegt. Und spätestens wenn man diese Filme anschaut, erfüllt dieses hübsch knallrote Büchlein das im Vorwort gegebene Versprechen, gegen „das Vergessen angehen zu wollen“: Diese sieben, im Buch einzeln ausgiebig analysierten Filme, dürften als köstliche Paradebeispiele für den (nie existierenden) Schweizer Arbeiterfilm in die Annalen der Schweizer Filmgeschichte eingehen.
(Irene Genhart)
Stefan Länzlinger, Thomas Schärer: Stellen wir diese Waffe in unseren Dienst. Film und Arbeiterbewegung in der Schweiz. Herausgegeben vom Schweizerischen Sozialarchiv. Zürich, Chronos Verlag, 2009, 182 S., mit DVD, CHF 38.--, EUR 24.50
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