Vorschau auf das 12. Zurich Film Festival. Von Walter Gasperi
Von Jahr zu Jahr grösser wird das Zurich Film Festival (22.9. – 2.10.2016). Heuer umfasst das Programm 172 Filme, darunter 17 Weltpremieren und auch zahlreiche Stars werden an der Limmat erwartet.
Bunt gemischt ist auch heuer wieder das Programm mit Galapremieren, drei Wettbewerben, einem Schwerpunkt für das mexikanische Kino und Retrospektiven der Filme von Olivier Assayas und des Schweizer Produzenten Marcel Hoehn. Mit dem Pavillon of Reflections auf dem Zürichsee hat man zudem eine weitere Spielstätte gefunden, an der während des Festivals gratis Schweizer Filmklassiker zu sehen sein werden, die einen engen Bezug zur Stadt Zürich haben.
Galapremieren
Eröffnet wird das 12. ZFF mit der Europapremiere von „Lion“, in dem Garth Davis von einem Inder erzählt, der als Kind von einem australischen Paar adoptiert wurde und im Erwachsenenalter seiner Vergangenheit nachspürt. „Lion“ läuft zusammen mit rund 30 Filmen in der Sektion „Gala Screenings“, in der vor allem mit Spannung erwartete Kinoproduktionen dieses Herbstes gezeigt werden. Grosse US-Produktionen stehen hier neben echten Arthouse-Filmen und der Bogen spannt sich von Oliver Stones „Snowden“ bis zu Cristian Mungius „Bacalaureat“.
Damien Chazelles bei den Filmfestspielen von Venedig gefeiertes Musical „La La Land“ kann man hier ebenso entdecken wie David Mackenzies düsteren Neo Noir „Hell or High Water“. John Michael McDonagh kehrt mit „War on Everyone“ zum Stil der pechschwarzen Cop-Komödie „The Guard“ zurück, Ashgar Farhadi präsentiert mit dem in Cannes preisgekrönten „The Salesman“ eine Variation von Arthur Millers „Death of a Salesman“ und Ulrich Seidl begleitet in seinem Dokumentarfilm „Safari“ Österreicher bei ihrer Safari in Afrika.
Aber auch auf Ewan McGregors Regiedebüt mit der Philip Roth-Verfilmung „American Pastoral“ oder Juan Antonio Bayonas Fantasy-Film „A Monster Calls“ darf man hier gespannt sein.
Stars und Ehrenpreise
Diese Premieren werden auch wieder zahlreiche Stars nach Zürich locken. So wird Ewan McGregor mit seiner Hauptdarstellerin Jennifer Connolly ebenso erwartet wie Daniel Radcliffe, der „Imperium“ und „Swiss Army Man“ vorstellen wird. Radcliffe und McGregor werden bei ihrem Besuch ebenso wie Olivier Assayas und Woody Harrelson im Rahmen eines „ZFF Masters“ im Filmpodium Zürich Einblick in ihre Arbeit bieten.
Der US-Produzent Lorenzo di Bonaventura wird nicht nur den hochkarätig besetzten Katastrophenfilm „Deepwater Horizon“ vorstellen, in dem Peter Berg vom Brand der titelgebenden Ölplattform im Golf von Mexiko erzählt, sondern auch mit dem Career Achievement Award ausgezeichnet.
Der Golden Icon Award wiederum wird Hugh Grant verliehen – ein Anlass, der genützt wird, um Stephen Frears „Florence Foster Jenkins“ zu präsentieren, in dem der britische Schauspieler an der Seite von Meryl Streep die männliche Hauptrolle spielt.
Mit dem Goldenen Auge ausgezeichnet und mit einer Retrospektive geehrt wird schließlich der Produzent Marcel Hoehn, der seit dem Erfolgsfilm „Die Schweizermacher“ über vierzig Dokumentar- und Spielfilme produziert und dabei mit Größen wie Daniel Schmid, Francesco Rosi oder Fredi M. Murer zusammengearbeitet hat.
Internationaler Spielfilmwettbewerb
Im „Internationalen Spielfilmwettbewerb“ konkurrieren 14 erste, zweite oder dritte Regierarbeiten um das mit 25.000 Franken dotierte Golden Eye. Kleber Mendonça Filhos im Wettbewerb von Cannes uraufgeführter „Aquarius“ gehört hier ebenso zu den Preisanwärtern wie die norwegische Tragikomödie „Welcome to Norway“ (Regie: Rune Denstad Langlo) oder das in Cannes in der Reihe „Un certain regard“ ausgezeichnete finnische Boxer-Drama „The Happiest Day in the Life of Olli Mäki“ (Regie: Juho Kuosmanen).
Breit gespannt ist der geographische Rahmen der Filme, reicht von Rumänien und Russland über Frankreich und Großbritannien bis Israel und Kanada. Auch die Schweiz ist hier mit „Miséricorde“ vertreten, in dem Fulvio Bernasconi von einem Schweizer erzählt, der bei einem Kanada-Urlaub auf eine Unfallstelle stösst und sich auf die Suche nach dem Lastwagenlenker macht, der Fahrerflucht begangen hat.
Internationaler Dokumentarfilmwettbewerb
Ebenfalls um ein mit 25.000 Franken dotiertes Golden Eye geht es im Wettbewerb „Internationaler Dokumentarfilm“ in dem zwölf Filme konkurrieren. Der Schotte Mike Day entführt den Zuschauer in „The Islands and the Whales“ auf die Färöer-Inseln, deren Bewohner seit Urzeiten vom Fang von Walen und Seevögeln lebt. Josh Kriegman und Elyse Steinberg begleiten dagegen in „Weiner“ den Wahlkampf des New Yorker Bürgermeister-Kandidaten Anthony Weiner und bieten einen Einblick hinter die Kulissen einer Wahlkampagne, während Benjamin Ree in „Magnus“ das norwegische Schachgenie Magnus Carles porträtiert.
Wettbewerb „Fokus Schweiz, Deutschland, Österreich“
Zwölf Spiel- und Dokumentarfilme aus den deutschsprachigen Ländern konkurrieren schliesslich im Wettbewerb „Fokus Schweiz, Deutschland, Österreich“ um den mit 20.000 Franken dotierten Hauptpreis. Maia Arlamovsky bietet hier in „Future Baby“ einen vielschichtigen und interessanten Einblick in die zunehmend technisierte und geplante Fortpflanzung des Menschen und ihre Probleme.
Mit Jan Gassmanns Dokumentarfilm „Europe, She Loves“, Lisa Blatters Debüt „Skizzen für Lou“, dem Episodenfilm „Peripherie“, der als Kollektivprojekt von 15 Absolventen der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entstand, „Einfach leben“, in dem Hans Haldimann auf dem von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zwängen unabhängigen Leben einer Genossenschaft im Val Lavizzara fokussiert, sowie François Yangs „L´âme du tigre“ ist die Schweiz in dieser Sparte mit fünf Produktionen vertreten und steuert so fast die Hälfte der Filme bei.
Mexiko, Hong Kong, San Sebastian
Einen Einblick in das aktuelle Filmschaffen Mexikos bietet die Sektion „Neue Welt Sicht: Mexiko“ mit 14 Produktionen. Neben schon bekannteren Namen wie Fernando Eimbcke und Amat Escalante, von denen „Club Sándwich“ bzw. „Heli“ gezeigt werden, finden sich hier bislang hierzulande weitgehend unbekannte Regisseure.
Vier Perlen aus dem Programm des Hong Kong Film Festivals wurden für das „Hong Kong Window“ ausgewählt – darunter mit „Office“ auch einer der letzten Filme des Schnellfilmers Johnnie To, während im „Window San Sebastian“ vier spanische und lateinamerikanische Filme aus dem Programm des Filmfestivals von San Sebastian gezeigt werden.
TV-Serien, Olivier Assayas und ZFF für Kinder
Dazu bietet das vielfältige und überreiche Programm auch noch eine Retrospektive der Filme von Olivier Assayas, gewährt einen Einblick in fünf kommende TV-Miniserien, bei denen von vier der Pilotfilm sowie die komplette polnische Serie «Pakt» gezeigt wird, sowie eine Sektion für Kinder, in dessen Rahmen unter anderem die Schweizer Oscar-Einreichung «Ma vie de courgette» und «Rico, Oskar und der Diebstahlstein» laufen.
Rahmenprogramm
Abgerundet wird das Filmprogramm durch ein Rahmenprogramm, das neben den schon erwähnten «ZFF Masters», die «ZFF Talks», bei denen Experten über brisante Themen aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Politik diskutieren, und ein speziellen Filmprogramm für Schulklassen bietet. Dazu kommt der Abschluss des Filmmusikwettbewerbs, bei dem in der Tonhalle Zürich die Kompositionen der fünf Finalisten zur Uraufführung kommen und der Sieger des mit 10.000 Franken dotierten Goldenen Auges für die «Beste Internationale Filmmusik 2016» gekürt wird.
(Walter Gasperi)
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