Roubaix, Une Lumière

FR 2019, F/d, 119 Min., Regie: Arnaud Desplechin, mit: Roschdy Zem, Sara Forestier, Léa Seydoux

Roubaix, Une Lumière

Filmkritik von Daniel Eschkötter

Roubaix, une lumière, ein irgendwie konventioneller Polizeifilm kann sicher nicht so heissen. Aufklärung und Erleuchtung statt einer Ermittlung. Aber um Ermittlungen geht es durchaus in Arnaud Desplechins neuem Film: Weihnachtszeit, das verarmte Roubaix in Nordfrankreich, nach Belgien kann man rüberschauen, die Dardennes lassen grüssen, zumindest scheinbar; ein Polizeirevier, viel Grenzverkehr, krimineller und anderer.

Einige Fälle, kleinere und grössere, ein brennendes Auto, ein Betrugsversuch, ein bewaffneter Raub, Brandstiftung, ein vermisstes Mädchen, ein Serienvergewaltiger, ein Mord. Verdächtige, Zeugen, Opfer, Verwandte. Gespräche auf der Wache, in Wohnungen, an Tatorten, an Haustüren. Ein abgeklärter, allessehender Kommissar, ein ambitionierter Nachwuchsermittler, einige hard-boiled Polizist_innen und – zumindest anfangs – abgezockte Befragte. Eines der schäbigsten Polizeireviere und Untersuchungsgefängnisse der französischen Filmgeschichte. Ein Hauptfall schält sich heraus, schon dadurch, dass zwei Befragte von Sara Forestier und Léa Seydoux gespielt werden.

Was ein Polizeifilm in und mit Arnaud Desplechins Filmografie machen würde, das hatte ich mich seit der Cannes-Premiere gefragt. Viel Buzz hatten Desplechins Filme zuletzt nicht mehr ausgelöst, die Masche glaubte man wohl zu kennen, denn Desplechins Kino ist so eigensinnig, im Guten wie im Sui-Generischen, dass es wie ein einziges Projekt daherkommt, eine fette Autorensignatur unter sich trägt. Autofiktionale Si­­gnale und pseudoautobiografische oder biografistische Gesten, die fantastisch angereichert und transformiert werden; Störklänge, Geistersehen und Stimmenhören; ständige Aushandlungen über die Erzählhoheit, minimale Jump Cuts, Kreisblenden, exzentrisches Spiel, direkte Adressierungen, artifizielles Licht und Rückprojektionen; Meloscores zu Komödienhandeln (seit Rois et reine immer vom Bernhard-Hermann- und Georges-Delerue-Fernschüler Grégoire Hetzel); unverhohlenes Epigonentum, das einen Schleier noch über den mittleren Truffaut legt, den von L’enfant sauvage oder Les deux anglaises et le continent. Und immer wieder Mathieu Amalric, der Alter zum Ego Desplechins.
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