The woman in the fifth

FR 2010, 93 Min., OV/df, Regie: Pawel Pawlikowski, mit Ethan Hawke, Kristin Scott Thomas, Joanna Kulig, Samir Guesmi

The woman in the fifth

Rezension von Stefan Volk

Pawel Pawlikowski entführt den Zuschauer mit einem mysteriösen Mann, der eine geheimnisvolle Fremde trifft, in eine mythisch versponnene Parallelwelt.

Die Exfrau von Tom Ricks ist alles andere als erfreut, als der amerikanische Schriftsteller und Literaturprofessor eines Tages unvermittelt vor der Tür ihrer Pariser Wohnung steht. Weil er freiwillig nicht wieder geht, ruft sie die Polizei. Offenbar liegt ein Gerichtsbeschluss vor, wonach Ricks (Ethan Hawke) sich seiner Exfrau und der gemeinsamen Tochter nicht nähern darf. Auf dem Weg nach draussen begegnet Ricks dem Mädchen, das zwar froh ist, ihren Vater zu sehen, aber auch unsicher wirkt, fast ängstlich. Ob es denn stimme, dass er im Gefängnis gesessen habe, fragt die Kleine. Ricks streitet das ab, sagt, er sei nur ein wenig krank gewesen. Als die Polizei eintrifft, schnappt er sein Gepäck und rennt davon.

Ständig neue Rätsel
Was wirklich zwischen Ricks und seiner Frau vorgefallen ist, warum er seine Tochter nicht sehen darf, wird nie restlos aufgeklärt. Man kann es sich zusammenreimen anhand einiger Indizien. Es bleiben aber stets Vermutungen. Nach diesem Prinzip funktioniert im Grunde der gesamte Film. Stets gibt er neue Rätsel auf, liefert er Hinweise auf mögliche Lösungen, die endgültige, objektive Erklärung aber bleibt aus. Bis zum Schluss und darüber hinaus.

Eines dieser Rätsel verbirgt sich hinter dem Job als Nachtwächter, den Ricks vom Besitzer der Absteige angeboten bekommt, bei der er landet, nachdem er im Zug eingeschlafen ist und bestohlen wurde. Nacht für Nacht klingeln seltsame Gestalten an der Tür des heruntergekommenen Kellergebäudes, in dem Ricks vor einem Überwachungsmonitor sitzt. Sie nennen einen Code, Ricks öffnet die Tür, und dann verschwinden sie in irgendeinem Nebenraum. Kurz darauf flackert das Licht der Schreibtischlampe, als hätte jemand einen elektrischen Stuhl in Betrieb genommen.

Verhängnisvolle Abgründe
Das andere grosse Mysterium verkörpert eine Frau, der Ricks bei einer Künstlerparty begegnet. Margit (Kristin Scott Thomas) ist einige Jahre älter als Ricks, schön und geheimnisvoll. Zwischen beiden entspinnt sich eine leidenschaftliche Affäre, abgeschottet von der Aussenwelt in Margits Appartement. Je länger das dauert, umso mehr ahnt Ricks, dass hinter Margits verführerischem Charme verhängnisvolle Abgründe lauern. Der entscheidende Wendepunkt sei hier nicht verraten, nur soviel: auch danach hat das Rätselraten kein Ende. Für Spannung ist bis zum Schluss gesorgt.

Spannung ohne „Thrill“
Dennoch ist „La Femme du Vème“ ebenso wenig ein Mysterythriller wie Pawel Pawlikowskis letzte Regiearbeit, „My Sommer of Love“ (2004), ein Psychothriller war. Genau wie jene Geschichte einer lesbischen Amour fou, verzichtet nämlich auch diese tragische Liebe bewusst auf den „Thrill“, das Tempo, den Nervenkitzel. Pawlikowski präsentiert kein flott und letztlich reibungslos montiertes Schock- und Effektkino. Stattdessen entfaltet er in lyrischen Bildern, ruhigen bis zähen Einstellungen und Szenen eine mystisch versponnene Parallelwelt, die in ihren besten, quälendsten, von klassischer Musik und gespenstischer Atmosphäre getragenen Momenten an Stanley Kubrick oder Roman Polanski erinnert.

Kraftloses Kraftzentrum
Am Ende aber fehlt etwas. Ob es nur ein paar hilfreiche zusätzliche Spuren sind, ob es die poetische Kraft ist oder doch die alles erklärende Wahrheit, bleibt das letzte Rätsel des Films. Ethan Hawke gelingt es in der Rolle des verstörten, vielleicht traumatisierten, vielleicht psychotischen Antihelden, den fragilen Charakter seiner Figur glaubhaft zu vermitteln. Kristin Scott Thomas dagegen mangelt es als geheimnisvoller Fremden völlig an der schwarzromantischen Aura, die das Drehbuch ihr offenbar zugedacht hat, ohne aber die passenden Szenen dafür bereitzustellen. Ausgerechnet ihre Figur, die doch eigentlich das mysteriöse Gravitationszentrum des Films bilden sollte, gerät enttäuschend blass und steril.
(Stefan Volk)

   

Kritiken

National International
- Christoph Schelb für outnow.ch - Chris Cabin für slantmagazine.com
- Rolf Breiner für cineman.ch - David Gritten für telegraph.co.uk
- Brigitta Rotach für medientipp.ch - Richard Corliss für time.com
  - John DeFore für hollywoodreporter.com
   
Offizielle Website Verleiher
womaninthefifth-movie.com Praesens Film AG

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